DIE MITTELSTANDS-STUDIE

Es ist offensichtlich, dass ein neues, zeitgemäßes Unternehmertum mehr als nur ökonomische Fragestellungen in den Blick nehmen muss.

So ist 2021 unser erstes Stiftungsprojekt, die große Mittelstandsstudie gemeinsam mit dem Magazin „ZEIT für Unternehmer” aus dem ZEIT Verlag und dem Analyse- und Beratungsunternehmen aserto entstanden.

Die Studie ist die Basis unserer Stiftungsarbeit und wird regelmäßig fortgeführt.

Schwerpunkte

Schwerpunkte unserer Studie sind Themen wie Wandel der Arbeitswelt, Post-Corona-Gesellschaft, Fachkräftemangel sowie der persönliche Umgang mit Stress und Krisen. Ziel war es zudem, den Stellenwert vor allem der Themen Sinnstiftung, Wissensbedarf und New Work zu beleuchten.

Die Methodik

Auf der Basis von ausführlichen Leitfadengesprächen mit Unternehmer:innen hat aserto eine Onlinebefragung entwickelt und diese mithilfe von „ZEIT für Unternehmer“ Ende 2021 veröffentlicht. Über die Ergebnisse der Studie hat „ZEIT für Unternehmer” 2022 im Magazin exklusiv und unabhängig berichtet.

Die Befragten

Über 400 Unternehmerinnen und Unternehmer haben an der Befragung teilgenommen – derzeit eine der größten Mittelstandsstudien in Deutschland. Die Befragten sind zu drei Vierteln männlich, zum größten Teil älter als 45 Jahre und kommen zumeist aus mittleren bis kleineren Unternehmen aus ganz Deutschland. Ebenfalls drei Viertel der Befragten arbeiten in Familienunternehmen.

DER MITTELSTAND SIEHT SICH IN EINEM SCHWIERIGEN UMFELD

Zwischen Selbstbewusstsein und fehlender Anerkennung

Neun von zehn Befragten sehen den Mittelstand als das wirtschaftliche Rückgrat der Gesellschaft. 82 % der Befragten sagen jedoch: Für Unternehmer:innen gibt es hohe bürokratische Hürden. Mit den politischen Rahmenbedingungen ist nur jeder sechste Befragte (16 %) zufrieden und nur jeder Achte (13 %) attestiert Deutschland ein gründungsfreundliches Klima. Und nur jeder Fünfte (21 %) stimmt der Aussage zu, dass der Mittelstand in Deutschland die angemessene gesellschaftliche Anerkennung erhält. 38 % der Befragten haben schon mal darüber nachgedacht, ihr Unternehmen aufzugeben.

Positive Grundhaltung trotz großer Herausforderungen

Bei Fragen zu den gesellschaftlichen Herausforderungen in Deutschland fällt auf, dass die befragten Mittelständler die Spaltung der Gesellschaft als besonders besorgniserregend empfinden (64 %), gefolgt von der “Klimakrise” und “Fake News” mit jeweils 61 % und “Populismus” mit 60 %. Unternehmer:innen bringen eine der Zukunft eher zugewandte positive Grundhaltung mit: Fast drei Viertel (73 %) blicken (sehr) optimistisch in die Zukunft. 65 % bescheinigen der Pandemie auch positive Auswirkungen, weil sie z.B. für weniger Dienstreisen gesorgt und die Digitalisierung beschleunigt hat.

Was gute Unternehmer:innen ausmacht

Bei der Beantwortung dieser Frage fallen besonders oft die Begriffe Risikobereitschaft, Verlässlichkeit, Kompetenz, Authentizität und Ehrlichkeit. Das Selbstverständnis offenbart sich auch in Sätzen wie „Ein guter Unternehmer (und genauso die gute Unternehmerin) steht für das, was er oder sie tut, fördert MitarbeiterInnen, fordert sie aber ebenso, ist sich seiner Verantwortung gegenüber MitarbeiterInnen und gegenüber der Gemeinde, der Gesellschaft bewußt und zeigt das auch, ohne es vor sich herzutragen. Er zieht nicht einfach Gewinne aus dem Unternehmen, sondern stellt es solide auf, investiert nach Möglichkeit, um - gerade jetzt - nachhaltiger zu werden.”

UNTERNEHMERINNEN AGIEREN ANDERS ALS UNTERNEHMER

Deutliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern

So blicken nur 66 % der Unternehmerinnen optimistisch in die Zukunft, aber 76 % der Männer. 64 % der befragten Frauen bemängeln die unzureichende Unterstützung weiblicher Unternehmerinnen durch die Politik. Das Gründungsklima in Deutschland schätzen magere 6 % der befragten Frauen als freundlich ein, unter den männlichen Befragten sind dies mehr als doppelt so viele (15 %).

Auch denken Frauen (43 %) häufiger über die Aufgabe ihres Unternehmens nach als ihre männlichen Kollegen (36 %).

Im Spannungsfeld zwischen Beruf und Privatleben

39 % der Frauen geben an, sich häufig nicht wertgeschätzt zu fühlen für das, was sie für Unternehmen und Mitarbeiter:innen leisten. Bei den Männern sehen dies nur 32 % so. Frauen scheint allerdings insgesamt der Spagat zwischen Familienleben und Berufsalltag besser zu gelingen: Lediglich 21 % fühlen sich oft hin- und hergerissen zwischen Familie und Unternehmen; bei den Männern empfinden dies 32 % so.

Auch entwickeln Frauen offenbar häufiger Rituale und Strategien, um Privatleben und Beruf zu trennen: 60 % der Frauen und nur 52 % der Männer stimmen dem zu.

Sinnstiftung spielt eine wichtigere Rolle als Geld

So wollen zwei Drittel der Unternehmerinnen auf Umsätze verzichten, wenn sie mit ihrem Unternehmen dafür die Welt zu einem besseren Ort machen können. Von den männlichen Befragen stimmten dem nur 50 % zu. Unternehmerinnen definieren auch häufiger als Männer einen Purpose und legen mehr Wert auf Diversität (42 % zu 29 %).

Geld ist ihnen nicht ganz so wichtig wie Männern: So stimmen nur 41 % der Frauen der Aussage „Geld spielt für mich eine wichtige Rolle“ zu, immerhin 49 % der Männer. Dafür sorgen sie sich eher um Altersarmut (32 %) als Männer (26 %).

SINNSTIFTUNG UND WERTE HABEN EINE HOHE BEDEUTUNG

Sinnstiftung, Werte und Leitbilder sind sehr wichtig

So haben 44 Prozent einen Claim/Slogan für ihr Unternehmen definiert, 62 Prozent haben ein Leitbild festgelegt und 72 Prozent eine Unternehmensphilosophie. Rund die Hälfte (51 %) haben einen Purpose (höherer Zweck des Unternehmens) definiert.

Der Begriff Purpose allerdings polarisiert: Die Einschätzungen reichen von „Viel Hype, viel Mitlaufen, viel Nabelschau“, „Worthülsen“ und „ist in der DNA enthalten“ bis zu „deutlich höherer Identifikation und Einsatzbereitschaft“.

Gewinnmaximierung steht nicht im Vordergrund

Über die Hälfte (54 %) der Unternehmer:innen sagen, die Welt zu einem besseren Ort machen zu wollen, auch wenn das mit einem Verzicht auf Umsätze einhergehe.

Ein Vorbild für andere sein, selbst wenn sie dadurch oftmals mit Gewohnheiten brechen müssen, möchten dreiviertel der Befragten. Ebenso möchten 75 Prozent mit ihrem Unternehmen etwas bewegen, auch wenn ihnen damit weniger Zeit für ihr Privatleben bleibt.

Die Zufriedenheit von Mitarbeiter:innen hat eine hohe Bedeutung

So sagen 85 Prozent, dass sie ihre Mitarbeiter zufrieden machen möchten, auch wenn sie dafür Geld investieren müssen. 

Engagement ist ebenso ein wichtiger Faktor: 54 Prozent der Befragten möchten ihre Mitarbeiter:innen motivieren, sich ehrenamtlich zu engagieren. Über 60 Prozent finden, dass sich Unternehmer:innen viel stärker über ehrenamtliches Engagement in die Gesellschaft einbringen sollen. Unternehmer:innen wünschen sich aber auch Anerkennung: Vor allem von Kunden (89 %), Lebenspartner:innen (82 %) und Mitarbeiter:innen (82 %).

JÜNGERE UNTERNEHMER:INNEN IM SPANNUNGSFELD

Gesellschaftliche Herausforderungen

64 Prozent der 25 bis 44 Jahre alten Befragten sagen, dass ihnen der Schutz der Umwelt wichtig ist. Bei den 45 bis 59 Jahre alten Befragten sind es noch 58 Prozent, bei den über 60-jährigen nur 44 Prozent. Die Spaltung der Gesellschaft hat für 73 Prozent der Jüngeren (25-44 Jahre) die größte Bedeutung, während es bei den Älteren (60 Jahre und älter) 59 Prozent sind. Deutlich wird der Unterschied auch bei der Klimakrise, der 71 % der Jüngeren die meiste Bedeutung beimessen, bei den Älteren (60 Jahre und älter) sind es 55 Prozent.

Optimismus und Sinnstiftung

Trotzdem blicken 87 Prozent der 25 bis 44-jährigen Unternehmer:innen (sehr) optimistisch in die Zukunft, bei den Älteren (60 Jahre und älter) sind es noch 71 Prozent.

Sinnstiftung hat eine hohe Bedeutung: 60 Prozent der Jüngeren sagen, dass sie die Welt zu einem besseren Ort machen wollen, auch wenn sie damit auf Umsätze verzichten. Bei den Älteren (60 Jahre und älter) sind es nur 47 Prozent.

New Work und Digitalisierung

Jüngere Unternehmer:innen zwischen 25 und 44 Jahren arbeiten im Unternehmen auch anders als Ältere: So legen sie mehr Wert auf Kollaboration im Unternehmen, 80 Prozent setzen auf regelmäßige Austauschtermine (bei den Älteren sind es 67 Prozent) und über die Hälfte der 25 bis 44 Jährigen setzt auf digitale Tools zur Zusammenarbeit (nur 29 Prozent der Älteren). 68 % der Jüngeren sagen zudem: „Meine Familie geht für mich vor.” (52 % der Älteren).

STRESS, DRUCK UND BURN-OUT - GROßE PERSÖNLICHE HERAUSFORDERUNGEN

Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben

Zwei Drittel der befragten Unternehmer:innen arbeiten auch an freien Tagen und im Urlaub. So überrascht es nicht, dass sich 30 Prozent häufig mental und 29 Prozent häufig körperlich erschöpft fühlen, Jüngere und Frauen öfters als Ältere und Männer. Ebenfalls 30 Prozent gaben bei der Frage nach der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben an, dass sie sich oft zwischen Familie und Unternehmen hin- und hergerissen fühlen.

Diesen permanenten Spagat spüren vor allem die Jüngeren (zwischen 25 und 44 Jahren) mit 49 Prozent, im Vergleich dazu empfinden lediglich 21 Prozent der Älteren dies als Belastung.

Jüngere Unternehmer:innen kümmern sich allerdings aktiver um die Themen Zeitmanagement, Persönlichkeitsentwicklung und Stressabbau.

Persönliche Herausforderungen

Hier steht bei Unternehmer:innen mit 42 Prozent das Älterwerden an oberster Stelle - bei den über 60-jährigen sogar 54 Prozent. 28 Prozent fürchten sich vor dem Scheitern und für gut 1/4 der Befragten (26 %) ist Burn-Out ein herausforderndes Thema. Außerdem genannt wurden Depression (13 %), Suchterkrankung (10 %) und Angststörung (10 %).

Vor diesem Hintergrund haben 38 Prozent der Unternehmer:innen schon darüber nachgedacht, ihr Unternehmen aufzugeben - Frauen mit 43 Prozent noch häufiger als Männer (36 %).

Frauen agieren jedoch anders: Sie wenden sich mit 33 Prozent doppelt so häufig wie Männer (17 %) an eine(n) professionelle(n) Berater:in oder Coach.

Lösungsansätze und Strategien

74 Prozent der Befragten versuchen, ihre Lebensqualität zu erhöhen. Ein weiterer Lösungsansatz ist für 43 Prozent die Verbesserung ihres Zeitmanagements. Jeweils ein Drittel der Unternehmer:innen kümmert sich um Persönlichkeitsentwicklung (33 %), Stressabbau (33 %) und um den Aufbau von Resilienz (32 %).

Auch hier gibt es Unterschiede: Wenn es darum geht, mit wem man heikle und schwierige Themen sowie Probleme des beruflichen Alltags bespricht, wählen Frauen an erster Stelle andere Unternehmer:innen (62 %), gefolgt vom Lebenspartner:in (59 %) und Geschäftspartner:innen (36 %). Bei Männern stehen hingegen Lebenspartner:in (74 %) ganz oben, gefolgt von anderen Unternehmer:innen (53 %).

New Work Maßnahmen im Generationenvergleich

Jüngere treiben New-Work und Digitalisierung voran

Das zeigt sich zum Beispiel darin, dass 84 % der Jüngeren (25-44 Jahre) flache Hierarchien bevorzugen und nur 72 % der Älteren (60 Jahre und älter). Außerdem geben 82 % der jüngeren Unternehmer:innen an, mobil zu arbeiten (69 % bei den Älteren). Betrachtet man die Frage nach agilen Arbeitsmethoden, sind es wieder mehr Jüngere (55 %) als Ältere (37 %), die darauf setzen. Außerdem bevorzugen 80 % der Jüngeren und nur 67 % der Älteren flexible Arbeitszeitmodelle. Besonders deutlich zeigen sich Unterschiede bei neuen Raumkonzepten: Knapp die Hälfte der jüngeren Unternehmer:innen (49 %) vertraut auf diese New-Work-Maßnahme im Gegensatz zu lediglich für einem Fünftel (20 %) der älteren Unternehmer:innen.

Spagat zwischen Familie und Beruf

Es bildet sich eine neue Generation an Unternehmer:innen, denen Familie selbstverständlich wichtig ist. Der Spagat zwischen Familie und Beruf wird jedoch oft als starke Belastung wahrgenommen.

So sind die jüngeren Unternehmer:innen mental und körperlich erschöpfter, kümmern sich aber im Gegensatz zur älteren Generation aktiv um diese Themen. Beispielsweise nutzen 36 % der Jüngeren Präventionsangebote zu mentaler Gesundheit. Bei den Älteren sind es nur 23 %.

Trotz des großen Spannungsfeldes blicken jüngere Unternehmer:innen besonders optimistisch in die Zukunft.

Familienunternehmen agieren anders

Differenziert man bei der Frage nach agilen Arbeitsmethoden und neuen Raumkonzepten noch zwischen Familienfirmen und Nicht-Familienunternehmen, so kommt man aufgrund der Ergebnisse zu dem Schluss, dass Familienunternehmer:innen lieber traditionell arbeiten: 38 % setzen auf agile Methoden und 28 % entwickeln neue Raumkonzepte.

Im Vergleich dazu sind es bei den Nicht-Familienunternehmer:innen 50 %, die agile Methoden nutzen und 38 %, die auf neue Raumkonzepte vertrauen.

KLEINE FIRMEN LEGEN WENIGER WERT AUF GEZIELTES WISSENSMANAGEMENT

Unterschiede zwischen kleinen und großen Firmen

So bieten 98 % der großen Unternehmen Fort- und Weiterbildungen für Ihre Mitarbeiter:innen an und nur 78 % der kleinen Firmen. 50 % der große Firmen setzen dabei Kollaboration-Software ein, im Vergleich dazu sind es unter den kleinen Firmen 42 %.

Es lassen sich auch Unterschiede zwischen Unternehmerinnen und Unternehmern feststellen: Nur 46 % der Unternehmerinnen bieten geteilte digitale Plattformen, Server etc. an (Vergleich Unternehmer: 66 %) und 38 % setzen technische Tools wie z. B. Trello oder Slack ein (Vergleich Unternehmer: 46 %).

Fortbildungen und Austausch

Gleichzeitig legen Unternehmerinnen mehr Wert auf den sozialen Austausch. 27 % sind Vielnutzerinnen sowohl von Branchenevents wie auch von Fortbildungen, im Vergleich zu 20 % und 19 % bei den Unternehmern.

Betrachtet man die Weitergabe von Wissen an Mitarbeiter:innen, stellt man folgende Unterschiede zwischen Jüngeren und Älteren fest:

82 % der älteren im Vergleich zu 76 % der jüngeren Unternehmer:innen setzen auf Fort- und Weiterbildungen.

Handbücher und Onboarding

56 % der Jüngeren nutzen dabei Kollaboration-Tools (wie beispielsweise Slack oder Trello), bei den Älteren sind es lediglich 29 %. Das Intranet wird für die Wissensweitergabe von 44 % der jüngeren Unternehmer:innen und von 38 % der Älteren genutzt.

Auf Handbücher setzen 40 % der Jüngeren und 33 % der Älteren. Besonders deutlich ist der Unterschied beim Onboarding für neue Mitarbeiter: 45 % der jüngeren Chefs nutzen dieses bereits zur Wissensweitergabe, im Vergleich dazu sind es bei den älteren Chefs nur 16 %.